Tumororthopädie
Die Tumororthopädie beschäftigt sich mit Neubildungen an den Knochen und in den Weichteilen der Extremitäten und wirbelsäulennah. Diese entstehen durch Mutation des Genmaterials einer Zelle, wodurch sich diese unkontrolliert vermehren kann.
Die meisten Tumoren sind gutartig. Um die Art und Ausbreitung eines Tumors zu diagnostizieren wird stufenweise vorgegangen:
- Radiologische Diagnostik: Mittels Röntgenbild, CT und lässt sich in der Regel schon eine Zuordnung der Läsion treffen.
- und : Eine Gewebeprobe kann minimal-invasiv oder offen entnommen werden.
- Metastasensuche: z.B. PET-CT oder zum Auffinden von Tochtergeschwüren (Metastasen)
Die operative Entfernung eines Tumors erhebt folgende Ansprüche:
- Minimierung des Risikos eines erneuten Wachstums (Lokalrezidiv)
- Möglichst guter Erhalt der umgebenden Strukturen (Gefäße, Muskeln)
Zur frühzeitigen und umfangreichen Therapie ist die Orthopädische Klinik Teil des Onkologischen Zentrums am Städtischen Klinikum Dresden. Durch die Zusammenarbeit von Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen sowie deren interdisziplinärer Beratung in Tumorboards lässt sich ein für jeden Patienten individueller Behandlungsplan nach neuesten wissenschaftlichen Standards erstellen. Dieser kann beinhalten:
- Diagnostik der Ausbreitung und Metastasensuche (Radiologische Klinik)
- Chirurgische Entfernung und Defektekonstruktion (Orthopädische Klinik)
- Chemotherapie vor und/ oder nach der operativen Entfernung (IV. Medizinische Klinik)
- Strahlentherapie (Klinik für Strahlentherapie)
- Palliativtherapie
- Nachsorgeuntersuchungen
Gutartige Tumoren
Es handelt sich um den häufigsten Knochentumor. Dieser wächst häufig wie ein Stiel aus dem Knochen und ist von einer Knorpelkappe bedeckt. Diese Läsion ist gutartig und wird nur entfernt, wenn Beschwerden bestehen. Am häufigsten werden diese durch mechanische Irritationen der Weichteile verursacht bei gelenknahem, blumenkohlartigem Wachstum.
Bei der vererbbaren Form treten multiple Herde auf. Hier ist eine engmaschigere Kontrolle sinnvoll, um ein Fehlwachstum frühzeitig zu erkennen und behandeln zu können. Außerdem besteht bei den körperstammnahen Herden ein gewisses Entartungspotenzial, d.h. die Veränderung der Eigenschaft des Tumors von gutartig zu bösartig.
Abb. links: Röntgenbild mit multiplen Exostosen am kniegelenksnahen und der Tibia (Ober- und Unterschenkelknochen) sowie der Fibula (Wadenbein).
Abb. Mitte: Schemazeichnung nach dem Röntgenbild.
Abb. rechts: Schemazeichnung der gesunden Kniegelenksregion.
Dieser gutartige Tumor entsteht aus Knochenzellen, die typischerweise einen Nachtschmerz verursachen, der sich gut mit z.B. Ibuprofen oder Aspirin behandeln lässt. Die Diagnostik erfolgt mit der Schnittbildgebung (
und CT). Je nach Lage und Größe des Kerns (Nidus) der Läsion ist eine Beseitigung über Hitzedenaturierung ( ) möglich, welche sofortige Beschwerdefreiheit verspricht. Ansonsten muss der Tumor bei größerem Volumen ausgefräst werden.Der gutartige Knorpeltumor kommt in den Knochen der Finger gehäuft vor und im Bereich der Enden der langen Röhrenknochen Kniegelenksnah und am Oberarm. Häufig ist das Röntgenbild ausreichend für die sichere Zuordnung. Durch ein
lässt sich die Diagnose bestätigen. Bei Beschwerden oder Größenzunahme kann eine Kürettage und Auffüllung des Defektes mit Knochenzement durchgeführt werden.Abb. links: Röntgenbild mit im (Oberschenkel) gelegenen Enchondrom.
Abb. Mitte: Schemazeichnung des Röntgenbildes.
Abb. rechts: Schemazeichnung des gesunden Kniegelenks seitlich.
Hierbei handelt es sich um einen lokal aggressiv wachsenden Tumor aus Knochenzellen. In der Regel tritt er in der Kniegelenksregion auf. Dieser sollte frühzeitig behandelt werden um eine weitere Auflösung des Knochens zu vermeiden und damit die Stabilität nicht zu beeinträchtigen. Die Kürettage sollte sehr gründlich erfolgen um das Risiko eines Rezidivs zu verringern. Durch die Anwendung von Knochenzement ist eine Auffüllung des Defektes möglich. Postoperativ ist eine engmaschige Kontrolle notwendig.
Abb. links: Röntgenbild eines Kniegelenkes mit einer, von einem Riesenzelltumor befallener Tibia.
Abb. Mitte: Schemazeichnungen. Links mit Riesenzelltumor, rechts ohne.
Abb. rechts: Röntgenbild nach Resektion des Tumors und Auffüllung des Defektes mit Zement.
Dieser auch als „Blutschwamm“ bezeichnete gutartige Tumor tritt am häufigsten in den Wirbelkörpern auf und ist hier meist ein Zufallsbefund in der Bildgebung ohne klinische Symptomatik. Die typische strähnige Zeichnung des Knochens wird durch die Erweiterung der Gefäße mit Verdrängung des Knochens verursacht. Nur bei starken Beschwerden besteht Behandlungsnotwendigkeit.
Abb.: Ausschnitt aus einem CT einer Wirbelsäule mit einem Hämangiom in einem Wirbelkörper. Darüber und darunter gesunde Wirbelkörper mit unauffälliger Knochenstruktur.
Tumorähnliche Läsionen
Es handelt sich um eine Hohlraumbildung im Knochen, welche mit gallertartiger Flüssigkeit gefüllt ist. Diese tritt in verschiedenen Formen und Altersgipfeln auf. Typisch ist der Befall der Enden der langen Röhrenknochen im Kindesalter. Eine spontane Rückbildung ist möglich. Bei Beschwerden kann eine Therapie erfolgen. Nach einem Anriss (Fissur) heilen die Veränderungen normalerweise vollständig aus.
Abb.: Oberarmknochen eines Kindes mit einer Knochenzyste.
Diese Veränderungen können randständig an den Enden der Röhrenknochen auftreten und bestehen aus gesundem, nicht tumurösem Bindegewebe. Häufig verursacht das nicht ossifizierende Fibrom keine Beschwerden, weshalb es meist ein Zufallsbefund bei der Abklärung von Verletzungen ist. Mit dem Wachstumsabschluss verknöchert der Defekt. Radiologische Kontrollen sind meistens ausreichend.
Bösartige Tumoren
Die mit Abstand am häufigsten auftretenden bösartigen Veränderungen im Knochen sind Metastasen anderer Tumore. Dabei kann die Läsion im Knochen auch vor dem Primärtumor festgestellt werden. Am häufigsten metastasieren der Brustkrebs und das
- sowie Bronchial (Lungen-) und Nierenzellkarzinom in den Knochen. Das Ziel besteht darin die Schmerzen durch eine (drohende) Fraktur zu lindern und die Mobilität zu erhalten. Hierbei kommen Prothesen und Platten mit Schrauben und Zement zum Einsatz. Die Strahlentherapie ist in der Regel fester Bestandteil der Therapie.Abb.links: Metastase in einem (Oberschenkelknochen), die durch Verdrängung und Zerstörung des Knochens die Stabilität gefährdet.
Abb. rechts: Nach Entfernung des betroffenen Abschnittes wurde dieser durch eine Titanprothese ersetzt.
Diese Knochentumore treten sehr selten auf. Das Osteosarkom und das Ewing-Sarkom haben ihre Häufigkeitsgipfel im Jugendalter. Hier besteht die Therapie in einer sehr strukturierten Behandlung nach dem Protokoll der Fachgesellschaft mit intensivier Chemotherapie und Operation im Intervall. Eine vollständige operative Entfernung des Tumors bietet die besten Heilungschancen.
Das Chondrosarkom tritt eher in höherem Alter auf. Hier stellt die alleinige Entfernung des Tumors mit Sicherheitsabstand die Grundlage der Therapie dar. Zur Rekonstruktion bei den häufig langen knöchernen Defekten werden modulare Endoprothesen eingesetzt.
Abb. links: Röntgenbild eines Ewing-Sarkoms in einem Humerus (Oberarmknochen).
Abb. rechts: Schemazeichnung.
Auch Zellen der Weichgewebe (Fett, Muskeln, Sehen, Gefäße, Nerven) können entarten. Nach der genauen histologischen Zuordnung der Geschwulst durch die Biopsie kann individuell ein Behandlungsplan aufgestellt werden. Die vollständige operative Entfernung stellt die Hauptsäule der Tumortherapie dar. Durch eine Bestrahlung kann die Prognose verbessert werden.
Abb.: Weichgewebstumor in der Knieregion.
Hierbei handelt es sich um eine Entartung von Knochenmarkszellen, den Plasmazellen. Diese zum Immunsystem gehörenden Zellen verdrängen durch ihr ungehemmtes Wachstum gesunde Immunzellen wodurch Patienten häufig an einer erhöhten Infektanfälligkeit leiden. Die systemische Behandlung erfolgt mit Chemotherapie.
Auch Knochenveränderungen können beim Multiplen Myelom auftreten. Durch die Verdrängung des Knochens entstehen Zonen ohne Knochensubstanz (Osteolysen), welche zu einer erhöhten Bruchgefahr führen. Die Instabilität des Knochens sowie der Abbau der Knochensubstanz verursacht häufig Schmerzen. Eine lokale Bestrahlung kann zur Schmerzlinderung an den betroffenen Stellen eingesetzt werden. Bei Brüchen oder anhaltenden Schmerzen erfolgt die operative Stabilisierung.
Abb. links: Durch ein infiltrierter 12. Brustwirbelkörper. Durch den Abbau der Knochensubstanz kam es schließlich zur Fraktur (Bruch) sowie zum Abknicken der Wirbelsäule nach vorn. Das hinter den Wirbelkörpern verlaufende Rückenmark wird durch die Tumormasse gequetscht, was eine Querschnittslähmung verursachen kann.
Abb. Mitte: Röntgenbild von der Seite nach operativer Entfernung des betroffenen Wirbelkörpers und Ersatz dieses durch einen Platzhalter (Wirbelkörperersatz). Stabilisation der jeweils beiden oberen mit den beiden unteren Wirbelkörpern durch insgesamt 8 Schrauben und 2 Stäbe aus Titan.
Abb. rechts: Röntgenbild des gleichen Patienten von vorn.
Rekonstruktion
Je nach Art des Tumors und des einzuhaltenden Sicherheitsabstandes zur vollständigen Entfernung, ist eine Knochen- und Gelenkrekonstruktion notwendig. Das kann biologisch durch Einsatz von Eigen- oder Fremdknochen erfolgen. Gelenknah werden Prothesen implantiert. Für eine gut durchblutete und spannungsfreie Weichteildeckung können plastisch-chirurgische Maßnahmen indiziert sein. Dabei kommen Nahlappenplastiken und freie Transplantationen zum Einsatz.
Abb. links: Bei dieser Rekonstruktion wurde ein Tumor aus der Tibia (Schienbein) entfernt. Das fehlende Stück der Tibia wurde durch ein gleich langes Stück Fibula (Wadenbein) überbrückt. Durch die Fixierung mittels zweier Platten kann der neue Knochen zusammenheilen und das Bein ist wieder belastbar.
Abb. rechts: Schemazeichnung mit Tibia (weiß) und Fibula (grau).
Abb.: Durch die vollständige Entfernung eines Tumors mit dem entsprechenden Sicherheitsabstand zum gesunden Gewebe konnte das Schultergelenk nicht erhalten werden. Daher wurde dieses durch eine spezielle Tumorendoprothese rekonstruiert, die wieder eine gute Funktionalität der Schulter gewährleistet.
Abb.: Deckung von Hautdefekten nach Entfernung großer Weichgewebstumoren, welche so dicht an die Haut heran gewachsen waren, dass diese nicht erhalten werden konnte. Dafür wurde eine Spalthautplastik verwendet, die dem Patient von einer gesunden Stelle entnommen und so aufgearbeitet wurde, dass diese den Hautdefekt bedeckt.
Abb.: Gefäßgestiehlter Schwenklappen zur Deckung eines Hautdefektes, der durch die Tumorentfernung entstanden ist. Das Foto zeigt den Zustand nach der Operation. Die Schemazeichnungen stellen den Prozess der Defektdeckung dar (rosa = zu deckender Hautdefekt, gestrichelte Linie = Schnittränder).