Anästhesiologie und Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie (Friedrichstadt)

Die Entwicklung der Anästhesie in der DDR

1945-1990


Die ständige Weiterentwicklung der Technologien und der medizinische Fortschritt auf dem Gebiet der Anästhesie führte im englischsprachigen Raum bereits in den dreißiger Jahren zu einer Spezialisierung des Fachgebietes in Verbindung mit einer Trennung von der Chirurgie. 1935 wurde in England zum ersten Mal ein Facharztdiplom für Anästhesiologie erteilt.
Die eigenständige Entwicklung der Anästhesie in Deutschland begann erst mit Beginn der fünfziger Jahre. Dabei spielte auch die Teilung Deutschlands eine Rolle. In der DDR wurde 1956 die Anästhesiologie als selbständiges Fach vom Ministerium für Gesundheitswesen anerkannt. Seit 1958 wurde der Facharzttitel nach einer mündlichen Prüfung erteilt Die Sektion "Anästhesiologie der Deutschen Gesellschaft für klinische Medizin in der DDR" wurde 1964 gegründet. 1967 erfolgte die Umbenennung zur "Gesellschaft für Anästhesiologie und Reanimation der DDR", ab 1980 war es dann die "Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivtherapie" (GAIT).

Besondere Bedeutung für die Entwicklung der Anästhesie am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt hatte Hans Dietrich SCHUMANN (Direktor der Chirurgischen Klinik von 1957 bis 1978). Für das Fachgebiet Anästhesiologie interessierte er sich nicht zuletzt wegen seiner Habilitationsarbeit zum Thema "Druckdifferenzfragen bei Über- und Unterdrucknarkosen". Frühzeitig erkannte er, daß dieses Gebiet gefördert werden muß, um die modernen Anästhesie- und Intensivbehandlungsverfahren in die Klinik einzuführen. 1965 wurde dem internationalen Trend entsprechend im ersten Obergeschoß im Haus N eine chirurgische Wachstation mit acht Betten eingerichtet (Station 33a). Darin wurden frischoperierte Patienten nach ausgedehnten Operationen (Bauchchirurgie, Urologie, Thorakotomie, Schädel-Hirn-Trauma) betreut. Das Monitoring erfolgte durch die klinische Überwachung seitens einer Sitzwache, elektronische Überwachungsgeräte und Beatmungsgeräte waren nicht vorhanden.


Neben dieser Wachstation gab es für das Fachgebiet Anästhesie in der Klinik keinen weiteren Konzentrationsraum, insbesondere gab es keinen Aufwachraum. Dazu kamen fehlende technische und räumliche Voraussetzungen für einen modernen OP-Betrieb, wie zum Beispiel Notstromversorgung oder Schleusen für Patienten und Personal. Das war der Grund für den Beginn umfangreicher Rekonstruktionsarbeiten, in deren Folge Teile des ersten Stockes im Haus N zur Zentralen Anästhesieabteilung mit Aufwachraum und Intensivpflegestation (Station 34) ausgebaut wurden.

Diese Station war nach vergleichbaren Projekten in Berlin und Jena die dritte mit elektronischen Geräten ausgestattete Intensivstation in der DDR und ging am 14.07.1967 in Betrieb. Sie konnte 13 Patienten in acht Patientenzimmern aufnehmen. An der Kreislaufüberwachungsanlage KÜ-A1 waren 6 Bettplätze angeschlossen, an denen EKG, EEG, Puls, Temperatur und Atmung registriert werden konnten. Ein Bett war mit einer Überwachungsmöglichkeit durch eine Infrarotkamera ausgestattet.

(1) OMR Prof. Dr. Schumann und Dr. Hache an der Zentrale der KÜ-A1

(1) OMR Prof. Dr. Schumann und
Dr. Hache
an der Zentrale der KÜ-A1


Die Patientenversorgung erfolgte durch 18 Schwestern im Schichtbetrieb, Ärzte waren im Rahmen der Visite und konsiliarisch anwesend. Neben der eigentlichen Patientenversorgung gehörten zum täglichen Arbeitsablauf für die Pflegekräfte Tätigkeiten, wie:

  • Reinigung und Desinfektion von Gebrauchsmaterial (Spritzen, Handschuhe, Sonden)
  • Zimmerreinigung
  • Küchendienst

Daneben war die Ausbildung der Pflegekräfte Bestandteil der Arbeit. Seit 1969 beteiligte sich die Anästhesieabteilung an der Fachschwesternausbildung.

(2) Schwesternarbeitsplatz an der Zentralen Überwachungseinheit

(2) Schwesternarbeitsplatz an der Zentralen Überwachungseinheit

Zur Beatmung auf Station standen zur Verfügung:

  • Bird-Respirator
  • Praktivent 220
  • Praktivent 320
  • Varivent
  • Draeger-Assistor
  • Datex-Engström

Eine dezentrale elektronische Überwachung am Bettplatz war über die EKG-Darstellung mittels Cardioskopen möglich. Behandelt wurden sowohl postoperative und traumatisierte Patienten, als auch internistische Notfälle, wie zum Beispiel Herzinfarkte. 1971 entstand eine eigene internistische Intensivstation unter Leitung der Medizinischen Klinik.

(3) bird Mark 8

(3) bird Mark 8

(4) Atemtherapie mit bird Mark 1

(4) Atemtherapie mit bird Mark 1

Organisatorisch gehörte die Intensivpflegestation und die anästhesiologische Abteilung zunächst in den Verband der Chirurgischen Klinik. Die fachliche Leitung übernahm der chirurgische Oberarzt Dr. med. Heinz HACHE.
Dr. med. HACHE arbeitete seit 1957 am Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Nach bestandener Prüfung zum Facharzt für Chirurgie wurde er 1961unter Prof. H. D. SCHUMANN Oberarzt in der Chirugischen Klinik. 1964 absolvierte Dr. med. HACHE erfolgreich die Prüfung zum Facharzt für Anästhesiologie und war danach für den Aufbau der Abteilung für Anästhesie und Intensivtherapie verantwortlich.
Seit 1967 bestanden die Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin (bis 1974 "Zentrale Anästhesieabteilung", danach "Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin", später "Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin") und die Chirurgische Klinik als zwei voneinander unabhängige Kliniken im gleichen Haus. Chefarzt wurde Dr. med. Heinz HACHE.

Unter Chefarzt Dr. med. HACHE gab es zahlreiche Veränderungen und Neuerungen in der Anästhesie für den operativen Bereich. Die Intubationsnarkose für bauchchirurgische Eingriffe hatte sich bis Anfang der siebziger Jahre als Standard etabliert. Die letzten Äthertropfnarkosen wurden 1967 durchgeführt, der Ätherverdunster wurde drei Jahre später zum letzten Mal eingesetzt. Moderne Anästhesie- und Beatmungsformen hatten sich durchgesetzt. Halothan war als neuartiges Inhalationsanästhetikum zwar teuer, in Form eines Gemisches aus Halothan und Äther aber praktikabel. Äther und Cyclopropan wurden aufgrund der Explosionsgefahr später verdrängt. Mit der Intubation war die kontrollierte Überdruckbeatmung über längere Zeit möglich. Das Konzept der balancierten Anästhesie, vor allem die Kombination von Inhalations- oder i.v.-Anästhetika mit Lachgas hatte sich durchgesetzt. Ebenso stand mit der Durchführung der Neuroleptanästhesie eine verhältnismäßig gut steuerbare und sichere Methode für lange Operationen zur Verfügung.


Zum ersten Mal im Bezirk Dresden wurde im Jahre 1966 ein Herzschrittmacher dem Dresdner Bürger Willi Schramm eingesetzt. In der Folge wurden zahlreiche Implantationen durchgeführt, von 1967 bis 1981 waren es 3490 Eingriffe. Dem Team gehörte ein Chirurg, ein Kardiologe und ein Anästhesist an.

1960 wurde in Magdeburg der erste ärztlich besetzte Notfallrettungswagen der DDR eingeführt. Im Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt erfolgte ab 1966 die Besetzung der Dringlichen Medizinischen Hilfe im Rahmen eines Schichtplanes.

1971 wurde in Zusammenarbeit zwischen der Chirugischen Klinik und der Zentralen Anästhesieabteilung ein zentrales Blutdepot eingerichtet, das unter der Leitung der Anästhesieabteilung stand.

(5) Herzschrittmacher 1969

(5) Herzschrittmacher 1969


Die achtziger Jahre waren geprägt durch weitere umfangreiche Rekonstruktions­maßnahmen in den OP-Bereichen und auf der Intensivstation. Kernpunkte waren dabei die Modernisierung der OP-Säle mit Klimatechnik und zentraler Gasversorgung, sowie die Schaffung eines neuen Aufwachraumes.

Schwerpunkt im operativen Spektrum in der Allgemeinchirurgie war in dieser Zeit die Bauchchirurgie, insbesondere Operationen an Magen, Speiseröhre und . Ein großer Teil der Patienten wurden nach solchen ausgedehnten Operationen auf der Intensivstation weiter betreut.

1987 wurden durch die Klinik für Gefäßchirurgie erstmalig Operationen an der Arteria carotis durchgeführt. Eine der Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung dieser Operation bestand in dem kontinuierlichen intraoperativen Monitoring mittels invasiver Blutdruckmessung und der Messung der Hirnströme, was zu damaliger Zeit einen enormen apparativen Aufwand erforderte.

Ebenfalls 1987 etablierte sich als Spezialgebiet der Unfallchirurgie die Handchirurgie. Als Narkoseverfahren kamen die Biersche Venenanästhesie und die Anästhesie des Plexus axillaris zum Einsatz.

(6) Apparatur zur invasiven Blutdruckmessung

(6) Apparatur zur invasiven Blutdruckmessung


Bildnachweis
(1) "Sächsische Zeitung" vom 24.07.1967

 

(2) "Freiheit" vom 12.09.1967

 

(3) K. Borchert / H. Hache: Anästhesie und Intensivtherapie - Ein Leitfaden für Fachschwestern und Fachpfleger, Verlag Volk und Gesundheit, Berlin, 1986; S. 227

 

(4) P. Fasol: Die Therapie der Atemstörung beim schweren Thoraxtrauma, Anästhesist 24, 367-371 (1975)

 

(5) "Sächsische Neueste Nachrichten" vom 20.07.1969

 

(6) B. Landauer: Die kontrollierte Hypotension mit Nitroprussidnatrium, Anästhesist 25, 266 - 273 (1976)